Zolder 12h-Rennen – solo & self supported

Die Idee

Schon 2018 waberte die Idee, 300 km am Stück, also an einem Tag zu fahren, durch meinen Kopf. Angeregt durch epische Ausflüge einiger Tour-Forumisten, hat mich der Gedanke einer solch langen Fahrt nicht mehr losgelassen. Der erste Versuch im Hochsommer 18 scheiterte leider nach 275 km. Wie so oft hatte ich einfach das zeitige Essen und Trinken vernachlässigt und strandete ironischerweise in der Nähe der Gulpener Brauerei.

Der zweite Versuch 2019 lief schon besser: die bei Silvestertour geborene Idee, eine 300 km-Tour zum Sauerlandstern zu bestreiten fand schließlich insgesamt 5 Anhänger und so fuhren wir am 08.07.2019 durch die rheinische Tiefebene und das bergische Land ins Sauerland. Im Ziel angekommen war mein Garmin jedoch der Ansicht, es wären nur 299,94 km gewesen – es fehlten also 60 m!

Das Rennen

Das 12-Stunden-Rennen in Zolder: abgesperrte Strecke (natürlich!) und 12 Stunde Gelegenheit, ungestört Rad zu fahren. Der Aufwand für Hin- und Rückreise ist überschaubar, übernachten muss man erst gar nicht und Ende August ist ja eher mit vernünftigem Wetter zu rechnen. Außerdem ist Belgien ja sowieso immer eine Radfahrt wert. Klingt insgesamt verlockend. Also: angemeldet.

Die Vorbereitung

Im Vorfeld: viel fahren natürlich, auch ein paar längere Fahrten über 6 Stunden. Dazu hilft gedanklich die Gewissheit, dass 300 km am Stück machbar sind. Natürlich die Tage vor dem Rennen viel trinken, bei mir hat es sich bewährt, zwei Tage vorher jeweils etwa 0,7 l Apfelsaft zu trinken. Kohlenhydrate und so. Ansonsten gut ernähren und wenige Tage vor dem Rennen nur noch wenig intensiv und ein paar kürzere Runden fahren.

Mein bewährtes Giant TCR Advanced Pro mit mechanischer Schaltung habe ich noch mit meinen neuen 55 mm Laufrädern gepimpt und schon konnte es losgehen.

Meine Ziele

Angepeilt habe ich eine reine Fahrzeit von wenigstens 10 Stunden und als Minimalziel das Übertreffen der 300 km Marke. 2 Stunden Pausenzeit sollten üppig kalkuliert sein.

Vor Ort

Früh um 7 Uhr vor Ort deutet noch wenig darauf hin, dass hier gleich Hunderte Rennradfahren den ganzen Tag ihre Runden drehen würden. Erst so langsam trudelten immer mehr Fahrer, Teams und Begleiter ein, die sich umgehend daran machten, die Infrastruktur für die Versorgung der Fahrer aufzubauen. Teils in einer der Boxen, teils dahinter auf dem Parkplatz.

Ich schleppte also meinen Klappstuhl samt Kühlbox und Rad in eine der Boxen und suchte mir eine freie Ecke. Nebenan Teams mit Kaffeemaschinen, Nudelkochern, Sitzgruppen, Liegeplätzen, Teammanagern … ich fühlte mich inzwischen ein wenig underequipped.

Um 8:30 Uhr fand das Briefing und die anschließende Ausgabe der Transponder statt. Die Transponder mussten in einem Trinkflaschenhalter untergebracht werden, was bedeutete, dass ich nur eine Trinkflasche unterwegs dabei haben würde. Eigentlich blöd, andererseits würde ich so durch regelmäßigen Flaschentausch immer ein halbwegs kühles Getränk in der Flasche haben.

Die Strategie

Aufgrund der großen Hitze und dem Umstand, immer nur eine Flasche dabei zu haben, entschloss ich mich, eher früher als später einen Boxenstop einzulegen, spätestens wenn die aktuelle Flasche leer ist. Zu Beginn würde ich möglichst lang in der Sptzengruppe fahren, um Kraft zu sparen und zu verhindern, mich irgendwo zwischen kleineren Gruppen aufzureiben. So der Plan.

Der Rennverlauf

Nach einer Einführungsrunde mit dem etwa 200 FahrerInnen großen Feld erfolgt Punkt 10 Uhr der Start. Das Tempo geht sofort hoch, das Fahren im Feld auf der Rennstrecke erfordert volle Aufmerksamkeit und Konzentration. Speziell die Richtungswechsel in den Schikanen sind in mitten im Feld immer ein wenig stressig. Dazu Runde um Runde heftige Sprints am kleinen Hügel, hinter Kurven … mir wird schnell klar, dass das so nicht 12 Stunden gutgehen wird. Den Staffeln mit 2 bis 6 Fahrern kann es egal sein, die wechseln einfach die Fahrer durch. Ich lasse mich nach einer guten Stunde im Feld mit einem 42er Schnitt aus dem Feld zurück fallen, fahre noch ein wenig mit einen abgehängten Gruppe und lege dann auch irgendwann schon leicht angeknockt die erste Pause ein. Fortan suche ich mir Gruppen, die mein Tempo fahren, mal gelingt es, mal nicht so. Die regelmäßigen Boxenstops werden länger, ich zwinge mich dazu, regelmäßig etwas zu essen, Appetit habe ich eher keinen. Die Temperaturen haben sich inwischen bei über 30 Grad eingepegelt, das Tempo geht klar in Richtung ‘Touri’, die Gruppen werden weniger, schon am frühen Nachmittag sind sehr viele FahrerInnen, auch StaffelteilnehmerInnen arg gebeutelt. Dagegen zieht das Peloton mit immer noch einigen Dutzend FahrerInnen unbeirrt seine Bahnen und überrundet regelmäßig die ganzen Versprengten.

Die Hitze kocht mich gerade so richtig weich, das Essen während der Stops ist ein einziges Gewürge und irgendwie fühlt sich alles etwas flau an. Bis sich irgendwann der Himmel etwas zuzieht und es um 19 Uhr für vielleicht 1 Minute einen brachialen Wolkenbruch mit Hagel, Sturmböen und ganz viel Wasser gibt. Alles klatschnass, die Temperatur ist plötzlich um 10 Grad gesunken und alles fühlt sich auf einmal gut an. Es läuft wieder.

Bei langsam abtrocknender Strecke mache ich bei 295 km den letzten Boxenstop, verpflege mich und bringe das Rücklicht an. Die nächsten Runden bei untergehender Sonne sind stimmungsvoll: das Ende ist in Sicht, die 300 km sind geknackt, alles was noch kommt, ist quasi Kür. Die Aufmerksamkeit geht langsam zurück und aufsteigende Müdigkeit weicht einer gedämpften Euphorie, als es kurz vor 22 Uhr in die letzte Runde geht. Die letzten 10 oder 20 Runden bin ich gemeinsam mit einem Solofahrer aus Belgien unterwegs gewesen, jeder hat seine Ablösung gefahren, so wie er eben gerade konnte. Kurzes Schulterkopfen im Ziel und das war’s. 346 km bei einer Fahrzeit von über 10 1/2 Stunden. Sehr geil. (Hier die Fahrt auf Strava)

Essen/Verpflegung

Als Boxenstop-Verpflegung hat sich für mich Nudelsalat mit viel Gemüse als perfekt herausgestellt. Sandwiches waren mir viel zu trocken, Waffeln ebenso. Zum Ende hilft auch mal ein Schokoriegel, zwischendrin auch gerne eine Cola. Auch gut war Kaffee oder Cappuccino eisgekühlt (gibt es als Fertiggetränk).

In den Trinkflaschen: Malto/Fructose-Mix (60/30g pro Liter Wasser)

Für die Verpflegung genügt meiner Meinung nach, eine oder besser zwei Kühlboxen in der Box zu platzieren.

Dunkelheit

Mit kleinen Klemmlichtern vorne und hinten kein Problem, die Strecke ist einigermaßen gut ausgeleuchtet. Viele fahren ganz ohne Licht – solange man unterwegs Begleitung hat, geht das auch. Vermeiden sollte man dann allerdings, ganz alleine auf der Strecke zu sein – dann wird man leicht mal übersehen.

Resümee

Der Weg in die Box und zurück auf die Strecke führt immer durch die Wechselzone, eine Box nahe der Wechselzone hätte die eine oder andere Minute sparen können. Konkret also besser eine Box mit 30er Nummer auswählen, ich war in Box Nr. 10.

Ansonsten wäre natürlich mit besserem Pacing mehr drin gewesen, aber so hat es auch unglaublich viel Spaß gemacht. Und mit dem 10. Platz von 34 Solostartern in meiner AK bin ich fürs erste glücklich.

Nochmal? Glaub schon!