Rastlos in Arlington

Arlington Exchange, 1. – 10. Oktober 2015 – der Bericht!

Die gute Nachricht kam in der Nacht zum 08.06.2015: Laura darf am Austauschprogramm mit Aachens Partnerstadt Arlington teilnehmen. Dabei handelt es sich um ein Programm für Sechstklässler, die in Begleitung eines Elternteils eine amerikanische Familie besuchen und dort für 9 Tage zu Gast sind um allerlei über ihr Gastland USA kennen zu lernen.

Also wildentschlossen zugesagt, klar. In der weiteren Vorbereitung galt es dann, Reisepässe zu beantragen, das ESTA-Formular für die Einreise auszufüllen und natürlich Kontakt mit der Gastfamilie aufzunehmen. Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei unserer Gastfamilie um alte Hasen handelte: Tochter Maeve ist bereits das dritte Kind der Famile, das an dem Austauschprogramm teilnimmt. Sie sollten also durch nichts zu erschüttern sein.

Am frühen Morgen des 01.10.2015 ging es dann also los: mit dem Bus fuhren insgesamt 39 Eltern-Kind-Paare nach Brüssel, wo unser Flug nach Washington startete. Nach 8-stündigem Flug waren Zoll- und Passkontrolle sowie die Kurzbefragung beim Immigration Officer erledigt und das erste Zusammentreffen mit unserer Gastfamilie stand bevor. Die im Vorfeld vorhandene Unsicherheit, ob es denn zwischen „denen“ und „uns“ passen würde, war sofort nach dem ersten Treffen verflogen: Mary und Maeve nahmen uns enthusiastisch in Empfang und wir bekamen einen ersten Eindruck von der Herzlichkeit unserer (und sicher auch der anderen) Gastfamilie(n).

Der Tag unserer Ankunft war fürs erste Kennenlernen unserer Gastfamilie und zum eigentlichen Ankommen gedacht. Schon bald machte sich bei uns die Zeitverschiebung bemerkbar und wir waren früh im Bett. Mike und Mary, die Gastgebereltern, hatten uns noch rechtzeitig in ihre Küche eingewiesen, damit wir fürs Frühstück gerüstet wären – das macht sich da nämlich jeder selbst. Ungewohnt, sich in einer fremden Küche einfach selbst zu bedienen, in gewisser Weise aber auch angenehm, weil so gar nicht Touri-like. Und ein erster Eindruck von der, sagen wir, Rastlosigkeit vieler Amerikaner: Frühstück und die meisten anderen Mahlzeiten fanden eher so im Vorbeigehen statt.

Ein paar weitere Eindrücke und ein vollgepacktes Programm sollten folgen. 😉

Tag 1: Arlington Cemetery, Washington Monument Tour, abends Party @Smythers

Der Besuch des amerikanischen Militäfriedhofs in Arlington gab uns einen ersten Eindruck auf die enge Verbindung zwischen Gesellschaft und Militär: Angehörige des Militärs haben das Recht, kostenfrei auf diesem Friedhof bestattet zu werden, in direkter Nachbarschaft zu John F. Kennedys Grab und denen weiterer nationaler Polit-Prominenz. Überhaupt: der Umgang mit den Urvätern der amerikanischen Geschichte hat für uns Europäer einen etwas sehr kultischen Charakter. Dieser offenbarte sich uns auf der Washington Monument Tour, auf der wir bei Kälte und im strömenden Regen verschiedene Monumente der National Mall besichtigten. Spannend, an der gleichen Stelle wie Martin Luther King bei seiner berühmten „I have a dream“-Rede zu stehen.

Abends: Party, rastlos. Bier, Burger und Büfett und nach zwei Stunden löste sich alles in großer Aufbruchstimmung auf.

Tag 2: Welcome Breakfast, Navy Football Game, abends Oktoberfest @Mikes sister

Nach dem Welcome Breakfast, das durch die amerikanischen Gasteltern veranstaltet wurde, ging es für uns nach Annapolis, wo Lunch und nachmittags das Football-Spiel Navy vs Air Force auf dem Programm stand. Vor dem Spiel drehten wir eine Runde über das Gelände der Navy-Akademie und konnten beobachten, wie sich die Navy- und Air Force-Kadetten schon versammelten, um gemeinsam zum Stadion zu marschieren. Inklusive lautstarkem Fan-Gegröle.

Die Navy-Akademie an sich dient der akademischen Ausbildung, was angesichts der immensen Studiengebühren an anderen Hochschulen für so manchen, der ein Studium in Angriff nehmen möchte, die einzige Option darstellt. Man verpflichtet sich dann im Gegenzug eben für eine gewisse Zeit als Soldat, was in den USA jedoch mit einer anderen Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird als hierzulande.

Vereinssport wie er in Deutschland stattfindet ist in den USA wenig verbreitet: die Hochschulmannschaften spielen in eigenen Ligen, ebenso wie die Mannschaften, die von den Schulen gebildet werden.

Das Football-Spiel selber war dann zwar verregnet, wir waren trotzdem froh, dass es angesichts der Sturmwarnungen der Vortage regulär stattfand. Mike erklärte uns ein paar Grundregeln, damit wir die hin und wieder aufbrausenden Jubelstürme irgendwie einordnen konnten. Schon sehr beeindruckend.

Abends: Oktoberfest-Party bei Mikes Schwester (im Dirndl). Bier gab es, Büfett mit Würstel und Strudel war schon weitgehend vertilgt als wir müde und verfroren ankamen und so blieben wir auch nicht lange.

Tag 3: Shopping in Georgetown, Pumpkin Party @ Cantwells

Es ist Sonntag und für unsere Gastgeber stand Kirche und Religionsunterricht für die Kids auf dem Programm. Glücklicherweise in Georgetown, einem sehr netten Stadtteil von Washington. Was bedeutete, dass uns Mary die ehrwürdige Georgetown University und dann das Städtchen zeigte, so lange die anderen in der Kirche waren.

Shopping geht in den USA auch sonntags. 🙂

Abends: Pumpkin-Party bei „uns“. Bier, Chili con Carne, Büfett und Feuer im Garten. Die Kids höhlten Kürbisse aus, eine Mutter übrigens auch: es war ihr erster, war ein Meisterstück und avancierte zum Star des Abends.

Tag 4: American History Museum, Newseum, Radtour

Mit Mike besuchten wir das American History Museum und schlenderten ein wenig durch Washington. Anschließend kleine Radtour den Potomac bzw. einen parallel verlaufenden Kanal entlang. Der Kanal diente in früheren Zeiten der Versorgung der damals ansässigen Industrie mit Rohstoffen und Kohle: Schiffe wurden von seitlich des Kanals laufenden Lastpferden von Ort zu Ort gezogen. Inzwischen ein Erholungsgebiet für stressgeplagte Städter wimmelt es dort auch wochentags von Läufern, Anglern, Kanufahrern und Radlern. Wäre sogar sehr idyllisch, wenn man sich den Fluglärm wegdenkt …

Tag 5: Air an Space Museum, Cox Farm

Im Air and Space Museum am Flughafen Washington Dulles (es gibt noch ein kleineres direkt in Washington) haben wir Fluggeräte aller Art besichtigt. Nicht wenige davon haben weltgeschichtliche Relevanz: die Concorde, eine „Blackbird“ – das Spionageflugzeug aus der Zeit des kalten Krieges, die „Enola Gay“, mit der die erste Atombombe über Hiroshima abgeworfen wurde, das Space Shuttle „Discovery“, eine gute alte JU52, nur um ein paar zu nennen. Dazu Unmengen von anschaulicher Technik aus den Anfangszeiten der Fliegerei bis heute (oder auch morgen).

Im Anschluss dann das völlige Kontrastprogramm: Cox Farm. Eine Art Freizeitpark mit Bauernhofhintergrund, inklusive Kuhmelkshow, Zielgruppe: Stadtkinder. Sehr witzig und typisch amerikanisch war die Fahrt auf dem Treckeranhänger. Wir trafen dabei auf Aliens, Trolle, durchquerten Wasserläufe …

Tag 6: Laura geht zur Nottingham Elementary School, Papa geht Rad fahren

Einige deutsche Kinder (Laura auch) ging an diesem Tag zur Schule, um eine Einblick in das amerikanische Schulsystem zu bekommen. Diesem liegen allerdings völlig andere Unterrichtskonzepte zu Grunde, so dass manches deutsche Kind danach etwas ratlos aus der Schule kam. Ein Tag reicht also scheinbar nicht ganz aus, um die Unterschiede zwischen den beiden Bildungssystemen herauszufinden.

Ein Tag reicht aber aus, um festzustellen, dass die Region Arlingten/Washington die Auszeichnung „fahrradfreundlich“ mehr als verdient. Zunächst gibt es ein funktionierendes Radverkehrskonzept: alleine in Arlington gibt es eine Menge von Radwegen, auf denen man jeden Punkt der Stadt ziemlich verkehrsarm erreichen kann. An vielen Punkten der Stadt kann man (nach einmaliger Registrierung) öffentlich verfügbare Fahrräder ausleihen und diese dann woanders, also an einer anderen Station wieder zurückzugeben.

Nun zeichnet sich funktionierendes System nicht nur durch das Vorhandensein von Radwegen aus, sondern vor allem dadurch, wie die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer da, wo sie zusammentreffen, miteinander umgehen. Und da konnte ich zu meiner Überraschung feststellen, dass das Radfahren selbst auf vierspurigen innerstädtischen Hauptverkehrsadern mitten in Washington angenehm problemlos war. Man überließ mir trotz chronisch dichten Verkehrs die komplette rechte Spur, niemand überholte auch nur ansatzweise mit knappem Abstand und ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, als Radfahrer ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer zu sein. Ein Traum, verglichen mit den Zuständen auf deutschen Straßen.

Ganz nebenbei habe ich auf meiner Radtour die „Exorcist Steps“ in Georgetown besucht, eine Treppe, die eine Rolle im Filmklassiker „Der Exorzist“ spielt.

Abends: Krebs-Essen bei Bier und Nudelauflauf (zum satt werden ;-)).

Tag 7: Mit dem Metro-Bus und der U-Bahn unterwegs

Unsere Gastfamilie musste arbeiten bzw. zur Schule – für uns die Gelegenheit, mit Bus und U-Bahn auf Tour zu gehen. Laura war etwas museumsmüde, so dass wir ein paar Monumente – diesmal bei strahlendem Sonnenschein – von außen angucken wollten. Nach den ersten beiden Regentagen hatte sich das Wetter inzwischen nämlich hochsommerlich entwickelt.

Kleine Beobachtung am Rande: alle Fahrgäste bedankten sich beim Aussteigen beim Busfahrer, was dieser mit einem freundlichen Winken oder „You are welcome!“ erwiderte. Einfach nett.

Abends: Abschiedsparty im Halloween-Style. Hab mich als „Deutscher“ verkleidet und war nicht ganz alleine mit meiner Idee.

Tag 8: Shopping in der Tyson Mall, anschließend Rückflug

Fazit: es wird wohl ein paar Tage dauern, alle Eindrücke und Erfahrungen zu verarbeiten. Wir haben uns vor der Reise darauf gefreut neben allen Besonderheiten des Landes etwas vom Alltag einer ganz normalen amerikanischen Familie zu erleben. Trotz aller Vorbehalte, die ein Trip in die USA nun mal mit sich bringt, waren es großartige Erfahrungen. Die Gastfamilien, die wir kennenlernen durften, waren unglaublich herzlich, freundlich, hilfsbereit, offen, interessiert und manchmal auch ein bisschen rastlos – wir freuen uns jedenfalls schon sehr auf den Gegenbesuch im März 2016.

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